Ethologie des Maultiers

Das Maultier gehört seinen Eltern entsprechend, dem Pferd und dem Esel, zur zoologischen Familie der Equiden. In ihm finden wir Verhaltensweisen von beiden Tierarten wieder. Als Pflanzenfresser und Lauftier sind sie sich ähnlich. Sie sind in der freien Wildbahn immer Beutetiere, d.h., sie werden von Raubtieren gefressen. Sie haben aber unterschiedliche Lebensräume. Das Pferd ist ein Bewohner weiter, flacher Ebenen mit freier Sicht und ohne Hindernisse. Der Esel aber bewohnt felsige und gebirgige Regionen. Daraus ergeben sich verschiedene Verhaltensformen. Das Pferd entzieht sich einer Gefahr immer durch Flucht; es findet Schutz in der Herde (Flucht- und Herdentrieb). Der Esel braucht im steinigen und gebirgigen Lebensraum eine andere Strategie zum Überleben.

Vernetztes Denken setzt Intelligenz voraus, welche das Maultier auch in entsprechendem Masse besitzt

Am Berg empfiehlt es sich nicht immer zu fliehen (Absturzgefahr, schlechte steile Pfade). Er muss und kann unterscheiden, ob Davonlaufen, Stehenbleiben oder Attackieren die bessere Überlebenschance bietet. Diese Auswahlmöglichkeit verlangt vernetztes Denken. Das kann jeder Maultierbesitzer bestätigen. Es kann also geschehen, dass ein Esel oder ein Maultier wegen einer Gefahr stehenbleibt und nicht wie ein Pferd davonläuft. Dieses Verhalten wird ihm oft als Sturheit angelastet. Auch seine Bereitschaft, sich blitzschnell und gezielt gegen ungerechte Behandlung zu verteidigen, darf nicht als Bosheit ausgelegt werden.

Im Gegensatz zum Pferd lebt der Esel nicht in Herden mit Hengst und Leitstute, sondern er bildet nur lose Familiengruppen mit Mutter und Jungtieren. Die Hengste leben separat. Daraus erklärt sich vielleicht die grössere Anhänglichkeit von Maultierstuten.

med. vet. Adrian Heinen, 1996
Gründungsmitglied der Interessengemeinschaft für das Maultier IGM
Instruktor Parelli Natural Horsemanship PNH
homepage: www.rosszahnarzt.ch